Für mich ist Glaube etwas Lebendiges und Wandelbares, aber gleichzeitig ist mein christlicher Glaube auch die eine, immerwährende Grundkonstante meines Lebens, seitdem ich denken kann. 

Aber genauso wie ich als Mensch in meinem Leben viele Entwicklungen durchgemacht oder Veränderungen durchlaufen habe, hat sich auch mein Glaube immer wieder gewandelt: Es gab Phasen in meinem Leben, da hat Gott eine weniger prominente Rolle gespielt, beispielsweise als ich ein Jugendlicher war. Es gab Zeiten der Krisen, als ich im Studium feststellen musste, dass viele für mich damals unumstößliche biblische Wahrheiten zumindest aus wissenschaftlicher Perspektive höchst fragwürdig beziehungsweise wenig valide erschienen. Es gab Zeiten, da habe ich stark an Gott gezweifelt oder auch mit ihm gerungen: Warum ist diese Welt vielerorts so grausam? Warum klappt dieses und jenes nicht in meinem Leben? 

Auch jetzt, da ich meine ersten Schritte als Pfarrer mache, bin ich nicht frei von Zweifeln oder Fragen. Und ich merke immer wieder: Auf vieles werde ich voraussichtlich in diesem Leben keine absolute Antwort bekommen.

Aber genauso bin ich dankbar für die Erkenntnis, dass Gott uns Menschen in Jesus Christus einen Weg gezeigt hat, wie Nächstenliebe, Versöhnung, Barmherzigkeit und schlussendlich Frieden auf dieser so turbulenten Welt möglich sind. 

Dass er kein ferner Gott ist, sondern ein Gott des Lebens, der mitten unter uns Menschen wirkt, der sein himmlisches Reich hier auf dieser Erde gegründet hat und uns Menschen jeden Tag neu dazu einlädt, aktiv daran mitzubauen. 

Dass Gott möchte, dass wir eigenständig denken, uns entwickeln und lernen, Dinge hinterfragen, aber auch autonom Entscheidungen treffen, denn deshalb hat er uns Menschen einen freien Willen geschenkt.

Und ich bin alle Tage erfüllt von der Gewissheit: Dass Gott mich jeden Tag meines Lebens begleitet, an den Tagen der Freude wie auch in den schweren Stunden der Angst, der Verzweiflung oder der Trauer. Dass er mich liebt und ich ihm wertvoll bin, egal ob andere mich gerade lieben oder ob ich mich selbst aktuell lieben kann. Und ich bin Gott dankbar, dass er mir vergibt und mich annimmt, auch wenn ich in meinem Leben immer wieder scheitere – sowohl an anderen Menschen als auch an mir selbst.

Während ich diese Zeilen schreibe, merke ich, dass es noch unendlich viele andere Aspekte in Bezug auf meinen Glauben gibt, die eigentlich noch Erwähnung in diesem Blog finden sollten. Glaube ist eben etwas Komplexes und Vielschichtiges – noch ein Umstand, für den ich dankbar bin und der mir auch an meiner Tätigkeit so gut gefällt. Und ich bin neugierig: Woran glaubt Ihr? Was trägt Euch durchs Leben? Wo habt Ihr Fragen oder Zweifel? Sprecht mich gerne an, denn auch davon bin ich überzeugt: Glaube wächst und lebt im Austausch sowie in Gemeinschaft.

Euer Pfarrer Johannes Herzer (herzer@kirchengemeinde-staaken.de)