Glauben ist menschlich

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# Spirituelles

Glauben ist menschlich

Glaubensbekenntnisse – wozu?

In unserer neuen Reihe „gemeinsam glauben“ stellen wir verschiedene Glaubensbekenntnisse vor und erläutern, wie wir dazu stehen. In diesem Text soll es zunächst sehr grundsätzlich werden. Wir wollen darüber sprechen, was überhaupt Glaube heißt und warum Menschen ihren Glauben bekennen.


Bekenntnisse

Bekennen ist menschlich. Der Mensch kann im Grunde nicht nicht bekennen. Manche Bekenntnisse erfolgen unbewusst. Die Art und Weise, wie wir uns kleiden, die Menschen, zu denen wir uns halten, die Themen, über die wir reden. Wer auf Markenkleidung verzichtet, bekennt automatisch, wie unwichtig ihm das ist. Wer mit modebewussten Menschen unterwegs ist, bekennt automatisch, dass er mit einem stilvollen Lebensstil sympathisiert. Andere Bekenntnisse werden jedoch bewusst formuliert. Fußballfans tragen mit voller Absicht Fantrikots. Punks tragen sehr bewusst aussagekräftige Kleidung und Frisuren. Bürger singen stolz ihre Nationalhymne. Überzeugte Europäer:innen bekennen sich zu Demokratie und Menschenrechten. Die Menschen bekennen das, was sie gut finden und woran sie glauben. Sie halten das nicht verborgen. In der Kirche können sie das regelmäßig und ritualisiert tun.

 

Glauben an etwas und glauben als solches

Glauben ist menschlich. Der Mensch kann im Grunde nicht nicht glauben. Glauben hat etwas mit Vertrauen zu tun. Ich vertraue darauf, dass meine Sinne mir keine Illusionen vorgaukeln und mein Verstand mir stets eine gute Orientierung gibt. Die Frage ist weniger, ob ein Mensch glaubt, sondern was er glaubt. Jeder Mensch glaubt und vertraut, es geht gar nicht anders. Deshalb ist es natürlich, dass er seine Mitmenschen darüber in Kenntnis setzt.

 

Glauben und Wissen

Die Menschen glauben hier und wissen dort. Doch unser Wissen und Erkennen sind eingeschränkt. Der berühmte Wissenschaftstheoretiker Karl Popper soll gesagt haben: „Unser Wissen ist begrenzt. In allen wichtigen Fragen sind wir auf das Erraten und Vermutungen angewiesen.“ Vor ihm wussten das schon andere, z.B. der Apostel Paulus: „Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk“ (2. Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 13). Es ist gut, wenn wir bei all unserem Wissen und Verstehen selbstkritisch bleiben und uns bewusst machen, dass wir fehlbar sind. Hier soll keinesfalls Wissen gegen Glauben ausgespielt werden. Nur die Naturwissenschaft kann die Dinge klären, die die Naturwissenschaft klären kann. Der christliche Glaube beschäftigt sich mit anderen Dingen. Ihm geht es darum, einen Zauber in der Welt zu erhalten und es den Gläubigen zu ermöglichen, über die Wunder der Natur und des Universums zu staunen.

Am folgenden Beispiel wird klar, wie sehr unser Leben von unseren persönlichen und gesellschaftlichen Glaubenssätzen abhängt. In Europa und weit darüber hinaus gilt das Konzept der Menschenwürde. Wir glauben, dass jedem Menschen qua Mensch eine unverbrüchliche Würde zusteht. Während die Wahrheit von Naturgesetzten, die auf naturwissenschaftlicher Basis formuliert werden, weltweit kaum angezweifelt wird (wir sprechen hier i.d.R. nicht von glauben, sondern von wissen), verhält es sich mit der Menschenwürde anders. In einigen Regionen unserer Welt herrschen abweichende Konzepte von Menschwürde und Menschenrechten vor. Die Menschen dort glauben sozusagen anders. Dass Männer mehr Rechte haben sollten als Frauen zum Beispiel. Oder dass Menschen mit Behinderung weniger wert sind. Wenn du bei den letzten beiden Sätzen etwas zusammenzuckt bist, gehörst du vermutlich zu den Menschen, die an die universelle Gültigkeit der Menschenwürde glauben. Hoffentlich bist du bereit, dich zur Menschenwürde und Menschenrechten öffentlich zu bekennen. Deinen Glauben bekennen eben.

Nun bekennen wir in unseren Gottesdiensten nicht den Glauben an die Menschenwürde, sondern den Glauben an Gott. Das ist etwas anderes und eben darum bemerkenswert. Ähnliche Bekenntnisformen lassen sich bei großen Sportveranstaltungen wie z.B. Fußballspielen beobachten. Freilich auch mit Unterschieden im Bekenntnisgegenstand, denn der Fußballgott ist wohl etwas anderes als der Schöpfer des Universums. Bemerkenswert bleibt, wie intensiv und frei die Fans ihre Zugehörigkeit bekennen.

Zurück zur Menschenwürde. Sie hilft uns, zu verstehen, wie ein Glaubensbekenntnis funktioniert. Es existieren verschiedene Argumentationen, warum es so etwas wie die Menschenwürde gibt. Manche davon gehen in die Richtung, dass Menschenwürde an und für sich existiert und die Menschen das erst mit der Zeit entdeckt haben. Es ist uns also im Grunde wie Schuppen von den Augen gefallen. So sprechen viele Gläubige über Gott. Er existiert im Grunde schon immer. Es wird uns aber erst klar, wenn wir zum Glauben finden. Andere Gruppen sehen die Menschenwürde darin begründet, dass die Menschen sie selbst erschaffen, indem sie sie als wahr behauten. Was alle als wahr erachten, gilt dann als wahr. Es wäre also so, dass die Menschen ihre Würde Kraft ihres eigenen Geistes real werden lassen. Sie einigen sich darauf, etwas, das alle Menschen ganz grundlegend verbindet, als Menschenwürde zu bezeichnen. Sie geben also dem, das nicht naturwissenschaftlich greifbar ist, aber dennoch eine Voraussetzung für ein gutes Leben darstellt, einen Namen. Voraussetzungen für ein (gutes) Leben existieren ohne Zweifel, sind auf ihre eigene Weise real. Diesen Voraussetzungen geben viele Gläubige den Namen Gott und so tue auch ich es – was an dieser Stelle ein kleines Glaubensbekenntnis meinerseits darstellt. Ebenso wie die Menschenwürde halten die Gläubigen die Rede von Gott für etwas Hilfreiches und Schönes. So hilfreich und schön, dass sie das öffentlich bekennen wollen. Etwa jeden Sonntag in den Gottesdiensten.

Ein Glaubensbekenntnis ist folglich etwas typisch Menschliches. Spannend wird es, wenn wir uns in naher Zukunft die Inhalte anschauen. Denn dort finden sich interessante Details und Unterschiede.

 

Pfarrer Viktor Weber


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