02/07/2024 0 Kommentare
Das Apostolische Glaubensbekenntnis
Das Apostolische Glaubensbekenntnis
# Spirituelles
Das Apostolische Glaubensbekenntnis
Woran wir glauben | Eine Reihe zum Thema Glaubensbekenntnisse
Das Apostolische Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen.
Wir sind umgeben von Bekenntnissen. Atomkraft – nein Danke. Bedingungsloses Grundeinkommen für alle! Wir sind Spandauer, keine Berliner. Wir sind für Demokratie und Menschenrechte. Hertha ist der beste Fußballclub Westberlins. Wir sind dafür, ihr seid dagegen. Wir sind Vegetarier. Gemeinsam sind wir stark.
Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen. Menschen bekennen auf Schritt und Tritt, was ihnen wichtig ist und woran sie glauben. Dabei muss „glauben“ hier gar nicht im religiösen Sinne verstanden werden. Alle Menschen haben eine Weltanschauung und glauben auf ihre Art und Weise, was gut und richtig ist.
Gemeinsamer Glaube verbindet – so können wir uns einer Gruppe Gleichgesinnter zuordnen und daraus Rückhalt erhalten.
„Ich weiß, woran ich glaube, ich weiß, was fest besteht, wenn alles hier im Staube wie Sand und Staub verweht“ dichtet Ernst Moritz Arndt in einem Lied. Moment. Wissen und glauben in einem Satz? Was nach Widerspruch klingt, gehört bei näherer Betrachtung logisch zusammen. Wer über seinen Glauben Bescheid weiß, hat über ihn nachgedacht – im besten Fall kritisch. Wer einfach ungeprüft irgendwas glaubt, läuft dagegen Gefahr, naiv zu bleiben.
Woran glauben die Christinnen und Christen? Um eine Antwort auf diese Frage zu finden könnte ein uninformierter Beobachter auf die Idee kommen, einen Gottesdienst zu besuchen und dort aufmerksam hinzuhören. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde er dabei mit dem sogenannten Apostolischen Glaubensbekenntnis (Apostolikum) konfrontiert werden – eine der vielen Möglichkeiten, seinen Glauben zu bekennen. Dabei stehen die Chancen ganz gut, dass er verwirrt den Kopf schüttelt und den christlichen Glauben als weltfremdes, aussterbendes Relikt einer einst großen Religion abklassifiziert.
Bei Gesprächen mit Gläubigen erfahre ich nicht selten, dass die Worte des Apostolikums selbst treuen Gottesdienstbesuchenden Bauschmerzen bereiten. Zu Recht?
Die Probleme verbergen sich nicht nur im Wortlaut. Schon die Entstehungsgeschichte wirft Fragen auf. Die ursprünglich verbreitete Vorstellung, die zwölf Apostel hätten das Bekenntnis selbst formuliert, ist dem Reich der Legenden zuzuordnen. Allerdings spielen solche Fragen eine eher untergeordnete Bedeutung, denn worauf es beim Bekenntnis als erstes ankommt, ist der Inhalt.
Aber auch beim Inhalt kommt wenig Hoffnung auf, wesentliche Inhalte des Christentums zu entdecken und einen Mitmenschen zu überzeugen. Kein Wort von Nächstenliebe und Barmherzigkeit, keine Bezüge auf die Lehren Jesu, etwa die Bergpredigt, keine Anklänge auf die besonders für die evangelische Kirche wichtige Lehre von der Rechtfertigung des Sünders aus Gnade usw.
Wenn man so möchte, ist die einzige historisch verlässliche Aussage des Apostolikums der Hinweis auf das Schicksal Jesu: „gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben“. Wobei - die christliche Kirche gibt es als eigene Sozialform ganz zweifelsfrei. Strittig wird aber bleiben, ob und inwiefern sie eine heilige ist.
Wenn dem so ist – hier sind nur einige Probleme aufgeführt – wieso bekennen Gläubige das Apostolikum in ihren Sonntagsgottesdiensten?
Aus gutem Grund. Das Apostolikum hat den unschätzbaren Vorteil, in den christlichen Kirchen weltweit eine hohe Anerkennung zu genießen. Es ist eine Art Scharnier, in dem sich mehr oder weniger alle christlichen Gemeinschaften vereint sehen. Wenn wir am Sonntag diese Worte gemeinsam sprechen, tun wir es mit den Gläubigen aller Orte und aller Zeiten. Wir sind eingebunden in eine jahrtausendalte Geschichte von Menschen und ihrem Gott, wie ihn Jesus gepredigt hat. Wir sind die Nachkommen derer, die sich mit Jesus auf den Weg gemacht haben, im Vertrauen darauf, dass er ihnen einen Weg zeigt, wie man ein gutes Leben führen und Frieden mit Gott finden kann. Wer mag die Zahl derer messen, die diesen Weg gegangen sind? Die Gläubigen reihen sich ein in die Reihe derer, die von Gott nicht lassen können. Teil einer solchen Bewegung zu sein, die sich trotz aller Widerstände nicht aufhalten lässt, fühlt sich sehr besonders an. Heute ein Glaubensbekenntnis zu formulieren, das eine solche Verbreitung erfahren würde, ist nur schwer vorstellbar.
Und dennoch: Bekennen wir da Dinge, die wir gar nicht glauben und wenn ja, machen wir uns dadurch nicht unglaubwürdig?
Nun, wer sagt, dass die Aussagen des Apostolikums nicht geglaubt werden? Jeder Mensch lebt seinen Glauben individuell und kann vielleicht einer anderen Passage zustimmen, als seine Banknachbarin. Während die einen über der Aussage der Jungfrauengeburt verzweifeln, ist sie für andere eine der Wichtigsten. Und überhaupt – es ist nicht gesagt, dass der Inhalt an jeder Stelle etwa wörtlich zu verstehen ist. Es bleibt Platz für Metaphern, die Möglichkeit, Bilder stehen zu lassen ohne alles naturwissenschaftlich untersuchen zu müssen.
Wer z.B. Gott als Schöpfer bekennt, stimmt dem Glauben zu, dass wir uns nicht selbst gemacht haben oder dass die Welt sich nicht selbst aus dem Nichts geboren hat. Die Rede von der Schöpfung bedeutet: anerkennen, dass es Mächte und Gewalten, Regeln und Gesetze gibt, die wir kaum erahnen können, aber dennoch annehmen müssen, um die Vielfalt der Welt zu erklären. Wer Gott als Schöpfer bekennt, hinterfragt die Urknallhypothese nach den Faktoren, die zum Knall geführt haben – also: was war vor dem Urknall? Und können wir so eine Frage überhaupt beantworten? An dieser Stelle – und an anderen – wird die kritische Funktion des Glaubens deutlich: wer einen gut begründeten Glauben hat, wird geschützt davor, einfach irgend etwas zu glauben. Wird motiviert, Glaubenssätze zu hinterfragen. Gut, wenn eine solche Haltung nicht nur an fremde, sondern auch an die eigenen Glaubenssätze herangetragen wird.
In welchem Sinn Gott ein Vater genannt werden kann, lernen die Gläubigen spätestens im Konfirmationsunterricht und erfahren, dass die Rede von Gott immer nur in den eingeschränkten Möglichkeiten unserer Sprache und Vorstellungsfähigkeit geschehen kann. Während wir Gott als unbegrenzt und unendlich glauben, können wir von ihm nur mit endlichen Gedanken und Worten sprechen.
Der Abschnitt zu Gott dem Vater wird schnell abgehandelt. Der offensichtliche Schwerpunkt des Apostolikums liegt auf den Bekenntnissen zum Sohn. Wir erfahren von seiner Reise aus dem Himmel auf die Erde und seinem Schicksal dort, von seinem Abstieg in das Totenreich samt anschließender Auferstehung und Himmelfahrt sowie von der künftigen Wiederkunft am Ende aller Tage – als Richter der Lebenden und der Toten. An der Frage nach der Einordnung der Person Jesu in den Gottesglauben mühten sich zahlreiche Gelehrte ab. Darin unterscheidet sich das Christentum von anderen Religionen. Die Rolle, das Schicksal und die Worte Jesu bestimmen die Identität der Menschen in seiner Nachfolge. Wir erfahren hier jedoch nicht genau, wie es sich mit der Vorstellung verhält, Jesus sei Gott und Mensch zugleich – ein traditionell sehr wichtiges Bekenntnis der christlichen Kirche. Ist Jesus Gottes Sohn in dem Sinne, wie wir Kinder Gottes sind, ist die Vorstellung also ernst zu nehmen, dass Jesus unser Bruder geworden ist? Ist die Vorstellung, dass Gott Mensch geworden ist von einem überholten Weltbild abhängig? Ist denkbar, dass Gott sich im Menschen realisiert und so unmittelbar am menschlichen Schicksal – also an Freud und Leid partizipiert? Diese Fragen zeigen, dass das Apostolikum im Grunde provokativ verstanden werden kann – dann hätte es die Funktion, die Debatten zur Gottesfrage am Leben zu halten, was denn den christlichen Glauben eigentlich und wirklich ausmacht.
Die geringste Aufmerksamkeit bekommt der Heilige Geist. Ich glaube an den Heiligen Geist. Das war‘s. Er ist auch irgendwie da, doch nichts Genaues weiß man nicht. Er wird nur kurz erwähnt. Das liegt darin, dass der Schwerpunkt in der Entwicklung des Christentums in den ersten Jahrhunderten auf der Frage nach der Einordnung der Person und Rolle Jesu lag. Erst im 20. Jahrhundert entwickelten sich in größerem Stil Bewegungen, den dritten Teil der Trinität stärker zu würdigen – die Pfingstkirchen waren geboren. Nun, die zum Schluss folgenden Aussagen lassen sich immerhin den Wirkungen des Heiligen Geistes zuschreiben – etwa die Existenz der Kirche und der Gemeinschaft der Heiligen.
Was bleibt im Rückblick? Das Apostolikum ist ein gemeinsames Bekenntnis. Es ist wahrscheinlich DAS christliche Bekenntnis überhaupt, was an Behandlung der Trinität sichtbar wird. Das ist gut. Es entbindet die Gläubigen nicht davon, die einzelnen Aussagen zu interpretieren, etwa dass die Rede von der Jungfrauengeburt durchaus lediglich die Funktion haben kann, die weltgeschichtliche Bedeutung von Jesus zu betonen. Auch das ist gut. Wir bekennen mit dem Apostolikum unsere Zugehörigkeit zu jener monotheistischen Gemeinschaft, die nach Gott sucht, und zwar so wie Jesus Christus ihn vermittelt und der Heilige Geist der Kirche eingegeben hat.
Keine Gemeinde ist gezwungen, ausschließlich diese Worte für ihr Bekenntnis zu wählen. Es gibt durchaus beachtenswerte Alternativen. Was wäre eine eigene Alternative, die unsere Gemeinde gemeinsam formulieren würde? Ein spannender Gedanke. Ich weiß, woran ich glaube. Ich wüsste gern, woran du glaubst.
Pfarrer Viktor Weber
Kommentare