Abschiedspredigt von Pfarrer Cord Hasselblatt

Abschiedspredigt von Pfarrer Cord Hasselblatt

Abschiedspredigt von Pfarrer Cord Hasselblatt

# Spirituelles

Abschiedspredigt von Pfarrer Cord Hasselblatt

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen!

 

Liebe Gemeinde!

 

Es ist wohl kaum zu glauben, doch ist es tatsächlich so: Über meine heutige Abschiedspredigt habe ich schon über 40 Jahre lang nachgedacht (, einigen hatte ich das schon gemailt oder gesagt.)

 

(( Und……..wer weiß, vielleicht wird es unserem jugendlichen Gemeinde-Praktikanten Markus Sachse nach dem jetzigen Gottesdienst, Gott behüte, ja ähnlich gehen??))

 

Wie es bei mir dazu gekommen ist, das will ich euch jetzt erzählen:

 

Am 14. November 1981 habe ich im damaligen Gemeindehaus der Kirchengemeinde Giesensdorf in Lichterfelde bei dem Abschiedsgottesdienst für Pfarrer Dr. Eugen Ansohn die Orgel gespielt. Er hatte mich darum gebeten, weil wir uns in den vorhergehenden Monaten ein wenig angefreundet hatten. Er war, bevor er Pfarrer wurde, über 10 Jahre lang Arzt in einer Kreuzberger Praxis gewesen und seine sehr biblisch-intensiven und menschenkennerischen Predigten hatten uns Studierende seinerzeit sehr bewegt und beeindruckt. So auch mich in diesem Abschiedsgottesdienst.

Er fing an, darüber zu sprechen, dass man bei einem Abschied ja meistens sehr, sehr wenig sagt. Und was man sagt, ist dann das Wichtigste, was man dem Gegenüber gerade mitzuteilen hat. Was also, fragte er, ist das Wichtigste, was ich euch als meiner Gemeinde in diesem Moment sagen kann?

Und er erzählte der Gemeinde, was Jesus geantwortet hatte, als er nach dem wichtigsten Gebot gefragt wurde:

Gottes-Liebe und Nächsten-Liebe…..aus Markus 12, 28-34.

Und wie der andere jüdische Schriftgelehrte ihm da zugestimmt hatte.

 

Das hat mich sehr beeindruckt!

Und ich habe immer wieder darüber nachgedacht, ob ich dieses höchste Gebot Jesu auch in meiner Abschiedspredigt meiner Gemeinde sagen sollte und würde.

Denn natürlich ist das ein ausgezeichneter Maßstab für das Wirken und Leben einer Kirchengemeinde:

Wird in ihr und durch sie Gottes-Liebe und Nächsten-Liebe erkennbar, sichtbar?

 

Es soll so sein, es möge so sein………ohne Zweifel!!

 

Und also war das immer eine mögliche Grundlage für meine Abschiedspredigt.

 

Pfarrer Dr. Eugen Ansohn wandte sich nach dem Abschiedsgottesdienst dem Judentum zu, seine Mutter war Jüdin gewesen. Viele Jahre später hörte ich seinen Vortrag „Überleben nach Auschwitz“, in dem er unter seinem neuen Namen Yaa´cov ben Chanan auch über seine eigenen schrecklichen Erlebnisse im III. Reich berichtete. Das war 1995 und danach hatte ich dann keinen Kontakt mehr mit ihm. Zu schwer war das von ihm Erlebte für mich. Vorher hatte ich sein Buch „Juden und Deutsche – Der lange Weg nach Auschwitz“ mit Erschütterung gelesen.

 

Und dann las ich 1999 in „die Kirche“ den Satz von Helmut Ruppel, dass Ernst Lange der Sohn einer jüdischen Mutter war. Ich war wie vom Donner gerührt und auch elektrisiert. Seit damals habe ich mich viel mit Ernst Lange, der Ladenkirche und auch dem Kollegiumsmodell als Kirchenkreisleitung befasst, das wisst ihr alle zur Genüge.

 

Und immer wieder dabei das Nachdenken darüber: Wie ist das mit der Gottes-Liebe und der Nächsten-Liebe. Soll ich es bei dieser Bibel-Stelle  belassen oder fällt mir vielleicht doch noch was Anderes für meine Staakener Gemeinde ein in der ich so unendlich viel Schönes, Spannendes und auch Aufregendes, zum Teil auch mich Aufregendes erlebt habe?

 

Und tatsächlich:

Vor drei Jahren ist mir dann der Bibelvers für diese meine heutige Abschiedspredigt eingefallen…….aber….noch ein wenig Geduld bitte schön…….

 

…………..Manchmal habe ich in den vergangenen 33 Jahren gedacht, das Wichtigste, was wir Pfarrpersonen zu tun haben in unserem Dienst sind die Beisetzungen, die wir durchführen. Die Begleitung von trauernden Menschen in einem wichtigen Moment ihres Lebens, in einer Abschieds-Situation.

 

Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass bei Beerdigungen bei aller Rollen-Diffusion und Unklarheiten in unserem Pfarrer-Dasein die priesterliche Rolle unseres Pfarrer-Daseins recht deutlich wird.

 

Jedenfalls gehe ich davon aus, ich habe nicht genau nachgezählt, dass ich in meinen 33 Staakener Jahren über 1.000 Menschen beigesetzt habe.

Und vor vielen Jahren habe ich eine Bibelstelle gefunden, über die ich bei Trauerfeiern gerne nachdenke.

Ich habe sie sozusagen an 100en von Biographien erprobt und immer wieder neu bewahrheitet gefunden.

 

Seit dem letzten Jahr habe ich diese Bibelstelle unter dem Siegel der Verschwiegenheit an drei Stellen mitgeteilt:

Zuerst meine ich, war es die Gottesdienstgemeinde Staaken-Gartenstadt im Frühjahr letzten Jahres, der ich dieses Wort kurz vor einer wichtigen Gemeinde-Versammlung weitergab.

Danach habe ich es meinem Pfarrkollegen Viktor Weber vor gut einem Jahr gemailt als es um den allmählichen Wechsel von Verantwortlichkeiten und den geschäftsführenden Ausschuss ging.

Und ein drittes Mal nannte ich es Ostermontag der Gottesdienst-Gemeinde in Kana, als ich meine dortige Abschiedspredigt hielt, die gleichzeitig die Abschiedspredigt für ihren dortigen Pfarrer Emmanuel Mtoi war, der seit Mitte April im Ruhestand ist.

Ich befahl damals der Staakener Reisegruppe das zu tun, was sie in meinen Gottesdiensten in Staaken auch zu tun pflegt, nämlich zu schlafen, ich fürchte allerdings, das haben sie nicht getan!

Seit Oster-Montag fühlte ich mich also wie in einer Transit-Situation.

 

Was für ein Wort also ist mir für meine Abschiedspredigt eingefallen?

 

Es ist der Abschluss-Vers der Lesung, die wir vorhin gehört haben:

 

Jeremia, Kapitel 29, Vers 11 und der Prophet legt Gott selbst die Worte in den Mund:

„Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ (2x)

 

Liebe Staakener Gemeinde, das also möchte ich euch heute sagen. Diese Gottes-Verheißung mit auf euren Zukunftsweg mitgeben.

 

Nicht nur ich werde diese Gemeinde verlassen, sondern bald noch weitere, über Jahrzehnte sehr verlässliche und zentrale Mitarbeitende: Christiane Hinz und Lothar Bärsch.

 

Und dennoch gilt:

„Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“

 

Wie gesagt, diesen Vers habe ich an 100en von Lebenswegen exemplarisch erprobt und bestätigt gefunden. In jedem Lebensweg gibt es diese Zukunfts- und Hoffnungsmomente.

 

Jede Beziehung, die wir eingehen, geschieht auf Zukunft und Hoffnung hin. Jeder Umzug geschieht auf Zukunft und Hoffnung hin. Auch der von Karin und mir nach Erlangen.

 

Und also gilt dieser Satz auch für jede und jeden von Euch!

 

Und dieser Satz gilt ebenso für die Kirchengemeinde zu Staaken, die evangelische Kirche in Staaken.

Und er gilt, das habe ich in diesen Staakener Jahrzehnten lernen dürfen für alle Menschen, die hier in Staaken leben, woher sie auch zu uns gekommen sind, und welche Religionen sie haben: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“

 

Ein wie ich finde, wunderbarer Verheißungs - Satz.

 

Liebe Abschieds-Gemeinde,

 

das 29. Kapitel des Jeremia-Buch kann für euch tatsächlich wieder neu ein biblischer Anker werden. In seinem 7. Vers heißt es ja: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn, denn wenn es ihr wohl geht, wird es euch auch wohl gehen.“ Das war ein Leitvers für die Gemeinde Heerstraße-Nord.

 

Wie aber, das habe ich kürzlich überlegt, also etwa vor drei Monaten, ca. zwei Wochen bevor ich eine gewisse e-mail bekommen habe, wird dieser Verheißungs-Satz denn konkret erfahrbar, erlebbar……….in einem einzelnen Lebens –Weg?

Hoffentlich also in eurem zukünftigen Leben?

 

„Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“

 

Liebe Gemeinde,

in meinem Herzen bin ich ein kindlicher Mensch geblieben.

Manche von euch haben das in den vergangenen Jahrzehnten erleben können. Eine kleine Spur davon hat auch der damals neue Superintendent Florian Kunz im Herbst 2021 auf einer ZOOM-Konferenz des Pfarrkonvents Spandau erleben dürfen. Zu seinem Erstaunen stand unter meiner Bildschirmkachel – und er hat das laut und deutlich in die Runde gesprochen: „Einer hat sich als Stalif Korch eingeloggt“. (Ich hatte gerade vorher mit meinen 4 Geschwistern einen ZOOM-Chat gehabt …..und einigermaßen peinlich berührt schrieb ich dann unter meine Kachel: Cord Hasselblatt)

Stalif Korch…………das ist natürlich der Kalif Storch. Aus dem Märchen von Wilhelm Hauff. Wir hatten zu Hause eine 17cm-Schallplatte, die ich so oft gehört hatte, dass ich sie auswendig rezitieren konnte. Der Kalif, der sich mit seinem Groß-Wesir in Störche verwandelt hatte, darüber ins Lachen kam und das Zauber-Wort vergessen hatte zu ihrer Rückverwandlung.

 

Und dann versuchen sie verzweifelt, dieses Wort zu finden, zu erfahren.

Bis sie endlich in einem Schloss, bei einer Zauberer-Versammlung, hören, wie ein Zauberer den anderen fragte: „Was für ein Wort hast du ihnen denn aufgegeben?“  „Ein recht schweres, lateinisches, es heißt: Mutabor!“

Und am Ende der zweiten Seite der Schallplatte werden die Störche natürlich wieder rückverwandelt….in Kalif und Groß-Wesir. Und die Eule wird wieder zur Prinzessin.

 

Mutabor…………ich werde verwandelt werden.

 

Liebe Staakener Gemeinde, liebe Menschen in Staaken, das ist das Zauber-Wort, mittels dessen ihr eure Zukunft mit möglichst gutem Willen gestalten könnt:

Mutabor………ich werde verwandelt werden.

 

Ich wünsche euch allen diese Verwandlungskunst von ganzem Herzen.

Die innere und äußere Beweglichkeit, die uns Menschen so auszeichnet.

 

Die Kirchengemeinde in Staaken hat so große Wandlungen erlebt in den letzten 100 Jahren………

 

……….Da ist mein Abschied, bitte verzeiht mir diesen Ausdruck, ein Fliegenschiss, besser, ein Wimpernschlag in der Geschichte Staakens, die ja historisch greifbar vor gut 751 Jahren mit der Ersterwähnung am 26. März 1273 begonnen hat.

 

„Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“

 

AMEN!




Lesen Sie unter folgendem Link den Beitrag von Florian Kunz zur Würdigung von Pfarrer Cord Hasselblatt.

https://www.kirchengemeinde-st...

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